Ausbildung und Corona: Umfrage belegt drohende negative Auswirkungen auf Fachkräftesicherung!

Corona, NRW, Fachgruppe Berufsbildung

Unsere Umfragen zur Ausbildungssituation in Zeiten der Corona Krise haben bestätigt, dass für das kommende Ausbildungsjahr deutlich weniger neue Ausbildungsverhältnisse geplant sind. Die Gründe liegen auf der Hand. Liquiditäts- und Existenzsorgen in den Betrieben drohen das Verständnis für die Notwendigkeit, Fachkräftenachwuchs auszubilden und die vorhandene Bereitschaft dafür zu verdrängen.

Es ist zwar weitgehend gelungen, bestehende Ausbildungsverhältnisse durch die Krise zu bringen und der Wille, weiter auszubilden, ist da. Die Unsicherheit, wie es weitergeht, lässt in NRW aber mehr als ein Drittel der Betriebe ohne neue Ausbildungsverhältnisse planen, eine weitere große Anzahl plant mit weniger Plätzen. Das Problem zeigt sich im Gastgewerbe besonders deutlich und droht den Fachkräftemangel künftig noch zu verschärfen. Prämien, wie jetzt von der Politik beschlossen könnten helfen, in dieser Not die Ausbildung des nach Corona wieder dringend benötigten Fachkräftenachwuchses doch möglich zu machen und ihr mit dem Blick nach vorne wieder den Raum in der Planung zu geben, den sie benötigt. Bewerber dürfte es in nächster Zeit genug geben. Vielleicht liegt darin auch eine Chance.

Dazu möchte sich der DEHOGA mit IHK und Bundesagentur für Arbeit wieder zusammenschließen, um junge Menschen, die derzeit oft ratlos nach beruflichen Möglichkeiten suchen, auf die Chancen einer Ausbildung in den gastgewerblichen Berufen aufmerksam zu machen.

Eine Begleiterscheinung und Folge der Krise ist erschwerend die Abwanderung von Fachkräften, die nach der Ausbildung zu einem deutlich größeren Teil nicht übernommen werden können und Mitarbeiter*innen, die versuchen, in anderen Branchen unterzukommen. Die Möglichkeiten, auf Stellenausschreibungen verstärkt Bewerbungen zu bekommen steigt dagegen.

Die wichtigsten Aussagen der bundesweiten Umfragen bei Ausbildungsbetrieben zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Berufsausbildung im Gastgewerbe:

 

Betriebliche Ausbildung während der Betriebsschließungen:

- Immerhin 64 % der Ausbildungsbetriebe haben es in der Phase vor den Lockerungen weitgehend geschafft, die Auszubildenden sinnvoll zu beschäftigen.

Bei 36 % ist dies allerdings nicht gelungen und sie mussten die Auszubildenden freistellen.

- Die Mehrzahl der Ausbildungsbetriebe (58 %) konnte Kurzarbeit für Auszubildende vermeiden und plant solche auch nicht. In zusammen rund 30 % der Betriebe jedoch waren oder sind Auszubildende in Kurzarbeit.

 

Berufsschulen:

- Überwiegend kein gutes Zeugnis stellen die Ausbildungsbetriebe den Leistungen der Berufsschulen in dieser Zeit aus: Nur 29 % der Betriebe bescheinigen den Berufsschulen ein gutes und usreichendes digitales Lernangebot (z.B. Schulcloud, Online-Unterricht, digitaler Aufgabenversand). In den meisten

Fällen, 48 %, sahen die Betriebe das Bemühen der Schulen, digitale Lernangebote zu schaffen, hielten das Ergebnis aber für nicht zufriedenstellend.

Und 23 % der Betriebe mussten kein oder fast kein digitales Lernangebot der Berufsschule feststellen.

- Die Kommunikation zwischen Berufsschule und Auszubildenden / Ausbildungsbetrieben

bewertete eine knappe Mehrheit (57 %) als zufriedenstellend.

 

Neueinstellungen und Übernahmen:

- Bei den Aussichten für das neue Ausbildungsjahr 2020/2021 verdichtet sich die Befürchtung eines Corona-Schocks auf die gastgewerbliche Ausbildung:

Während 19 % bereits Verträge geschlossen haben und 23 % die gleiche Zahl an Ausbildungsplätzen anbieten wie sonst, geht die Mehrheit der Betriebe von negativen Auswirkungen auf das Ausbildungsangebot aus: 29 % der Ausbildungsbetriebe planen für dieses Jahr keine neuen Ausbildungsverträge. 16 % werden weiter ausbilden, allerdings mit weniger Plätzen als bisher.

5 % werden wohl in Zukunft nicht mehr ausbilden. Und 7 % geben an, dass sie zwar bereits Ausbildungsverträge geschlossen haben, jedoch befürchten, diese nicht erfüllen zu können.

- Ein gemischtes Bild zeigt sich bei der Übernahme. Rund 30 % der Betriebe wollen ihre ausgelernten Azubis wie auch ursprünglich geplant überwiegend übernehmen. Die gleiche Zahl gibt jedoch an, ursprünglich Übernahmen geplant zu haben, diese aber jetzt aufgrund der Situation nicht realisieren zu können.

 

Dazu Daten aus dem Ausbildungsstellenmarkt Gastgewerbe der Bundesagentur für

Arbeit, Stand Ende Mai 2020:

Die BA-Ausbildungsmarkt-Daten zeigen bis Ende Mai in der Gesamtwirtschaft einen Rückgang der Ausbildungsstellen um 9,1 % und einen Rückgang der Bewerber um 8,9 %. In der Gesamtschau sind rechnerisch die Möglichkeiten für die Jugendlichen weiter gut, es kommen 116 Ausbildungsplätze auf 100 Jugendliche. In den gastgewerblichen Berufsgruppen sind die Rückgänge stärker, am stärksten in der Gastronomie mit – 16,2 % bei den Ausbildungsstellen und – 11,8 % bei den Bewerbern (Details vgl. Anlage 2). Wir gehen allerdings nach der Spiegelung an den Ergebnissen der DEHOGA-Ausbildungsumfrage davon aus, dass diese Daten nur die „Spitze des Eisbergs“ darstellen.

 

Schlussfolgerungen:

Derzeit hat die Corona-Krise noch wenige Auswirkungen auf das Bestehen von laufenden Ausbildungsverhältnissen im Gastgewerbe. Es ist aber konkret zu befürchten, dass die Corona-Krise massive Auswirkungen sowohl auf das nächste Ausbildungsjahr als auch auf die mittelfristige Fachkräftesituation in der Branche haben wird.

Betriebsindividuell ist es natürlich vollkommen nachvollziehbar und rational, dass sich Betriebe angesichts der massiven Unsicherheiten abwartend verhalten. Wenn wir allerdings davon ausgehen, dass der Fachkräftebedarf in der Branche nach Abklingen der unmittelbaren Corona-Auswirkungen wieder steigen wird, so werden die aktuellen Tendenzen die ohnehin bestehenden Herausforderungen auf dem gastgewerblichen Arbeitsmarkt nachhaltig und breit verstärken. Das gilt umso mehr, als die Nachfrage nach Auszubildenden und Fachkräften in anderen Branchen nach

wie vor vorhanden ist, also den jungen Leuten andernorts Perspektiven geboten werden und sie dann dauerhaft für die Branche verloren sind.

 

Die Betriebe, die zögern, ob sie sich jetzt in Ausbildung engagieren können, möglichst „im Spiel zu halten“, kann in dieser schwierigen Zeit nur gelingen, wenn betriebliche Ausbildung unterstützt wird.

 

Einzelne Maßnahmen:

▪ Die in der letzten Woche vom Koalitionsausschuss beschlossene Ausbildungsprämie ist dabei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Sie zielt darauf ab, Betriebe dazu zu motivieren, in unverändertem Umfang weiter auszubilden. Da dadurch nur diejenigen Betriebe den Anspruch haben sollen, die ihre durchschnittlichen Ausbildungsverträge der letzten drei Jahre bei den Neuverträgen 2020 mindestens halten, werden - wenn sich die Planungen aus der Ausbildungsumfrage realisieren - viele gastgewerbliche Betriebe „durch den Rost fallen“.

Die Allianz für Aus- und Weiterbildung muss daher insoweit beim Wort genommen werden, als dass darüber hinaus Branchenbesonderheiten zu berücksichtigen sind. Das Gastgewerbe ist unumstritten eine besonders betroffene Branche und dieser Betroffenheit muss auch bei der Ausbildungsunterstützung Rechnung

getragen werden. Wenn die Hälfte der gastgewerblichen Betriebe planen, ihr Ausbildungsengagement zu reduzieren oder gar nicht mehr auszubilden, dann darf man nicht nur diejenigen finanziell unterstützen, die die Zahl der Ausbildungsplätze beibehalten, sondern man muss um jeden einzelnen Ausbildungsplatz

kämpfen – auch mit finanzieller Unterstützung für die Betriebe, die es benötigen.

▪ In der Phase des Lockdowns haben viele gastgewerbliche Betriebe die bittere Erfahrung machen müssen, dass der sechswöchige Lohnfortzahlungsanspruch für Auszubildende während der Kurzarbeit gemäß § 19 BBiG sie finanziell stark belastet hat. Mit ihrer gemäß § 14 BBiG fortbestehenden Ausbildungsverpflichtung

sind sie vielfach von IHKs und Berufsschulen allein gelassen worden. Dass die Bereitschaft, sich jetzt in einer Situation weiter bestehender höchster wirtschaftlicher Unsicherheit neu langfristig zu binden und bei einer eventuellen „zweiten Welle“ diese Situation nochmals zu erleben, darunter leidet, ist selbstverständlich. Es muss daher sichergestellt werden, dass für den Fall erneuter behördlicher Schließungen der gastgewerblichen Betriebe die Solidargemeinschaft über das Kurzarbeitergeld zumindest die Kosten für die Ausbildungsvergütung übernimmt.

▪ Die jetzt in voller Dramatik zutage getretenen Schwächen vieler Berufsschulen in Sachen Digitalisierung müssen mit voller Kraft angegangen werden. Insbesondere kleinere Berufsschulstandorte müssen dabei vom Bund, den Ländern und den Schulträgern mehr als bisher unterstützt werden.

▪ Auch der Weg des DEHOGA, digitale Schulungsangebote für Ausbilder sowie digitale Prüfungsvorbereitung für Azubis zu unterstützen, ist wichtiger denn je.

 

▪ Im Gastgewerbe sind Praktika und Probearbeit überdurchschnittlich wichtige Einstellungswege.

Aufgrund des Social Distancing sind jedoch derzeit auch die Möglichkeiten der Berufsorientierung und des gegenseitigen persönlichen Kennenlernens erschwert. Für die oft kleinen Ausbildungsbetriebe ist es nahezu unmöglich, die herkömmlichen Wege des Ausbildungsmarketings durch digitale Methoden zu ersetzen. Hier liegen wichtige Betätigungsfelder insbesondere der Berufsberatung der Arbeitsagenturen und der IHKs, aber auch des DEHOGA.

 

▪ Seit Jahren schon bildet das Gastgewerbe einen vergleichsweise hohen Anteil an Jugendlichen mit Herausforderungen mit theoretischen Lerninhalten aus. Insbesondere für diese Zielgruppe, aber auch für sog. Marktbenachteiligte ist neben geförderten Maßnahmen nach dem Qualifizierungs-Chancen Gesetz die Einstiegsqualifizierung (EQ) ein guter, niedrigschwelliger Ansatz, der nachweislich zu guten Übergangsquoten in duale Ausbildung führt. Die geförderten EQ-Praktika ermöglichen den Jugendlichen einen Berufseinstieg, der ihnen ansonsten aufgrund der derzeit prekären Branchensituation versagt geblieben wäre. Für die Betriebe wird die Bindungsdauer

zunächst auf 6-12 Monate verringert und in dieser Zeit die Qualifikation zudem finanziell gefördert. Nach der EQ-Zeit ist der Übergang in Ausbildung und auch die Anrechnung der EQ auf die Ausbildungsdauer möglich. Es ist jetzt die richtige Zeit für eine Renaissance des erfolgreichen Instruments der Einstiegsqualifizierung. Dieses sollte durch die Arbeitsagenturen und durch öffentliche Berichterstattung wieder stärker in den Vordergrund gerückt werden.

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Ansprechpartner: Thorsten Hellwig, Fon 02131 7518-140, hellwig@dehoga-nrw.de